Neulich in der Müllverbrennungsanlage

Kürzlich ging für mich ein Traum in Erfüllung. Ich bekam die Gelegenheit, an einer Führung durch die Müllverbrennungsanlage Köln teilzunehmen. Das mag seltsam anmuten. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich beim (seltenen) Zappen durch die Fernsehkanäle an Doku-Sendungen über Recyclingverfahren hängen bleibe. Dieses Thema fasziniert mich also offensichtlich.

Der BVMW (Bundesverband mittelständische Wirtschaft) hatte zu einer Vortragsveranstaltung zum Thema Generation Y eingeladen. Gastgeber und Austragungsort war die Abfallverwertungsgesellschaft Köln, kurz AVG, die zusätzlich eine Führung durch ihre Müllverbrennungsanlage (MVA) anbot. Da mich das Thema Generation Y ebenfalls sehr interessiert, konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

AVG Köln in Köln-Niehl
© AVG Köln in Köln-Niehl

In kleinem Kreis wurden wir vom Pressesprecher der AVG durch die verschiedenen Abschnitte der Verbrennungsanlage geführt und bekamen die Abläufe genau erklärt. Anfangs noch etwas skeptisch, weil in früheren Jahren soviel Negatives über diese Anlage zu lesen war (überhöhte Baukosten, mangelnde Auslastung), wechselte bei uns Teilnehmern nach und nach die Stimmung in Faszination.

Zur Verdeutlichung: Es geht hier nur um Restmüll. Nicht um Recycling-Materialien wie Altpapier, Kunststoff und Plastik, Altglas oder kompostierbaren Biomüll.

Präzision und Sauberkeit
in der Müllverbrennungsanlage

Was mir während der Führung auffiel: In der Anlage ist jeder Schritt genau durchdacht, es wird mit großer Präzision gearbeitet. Und auch wenn das paradox klingt: Es ist blitzsauber! Einzig in der Halle, in der auf Förderbändern die verschiedenen Abfälle vermischt werden, gibt es den typischen Müllgeruch, aber auch nicht so schlimm wie eigentlich erwartet.

Für mich verblüffend: Ich wusste nicht, dass mittels Restmüll eine wirklich große Menge an Strom erzeugt wird. Und für mich beruhigend: Selbst aus dem letzten Abfall werden noch Ressourcen gewonnen: Metall, Material für den Straßenbau, Gips in guter Qualität. Der Anteil an dem, was faktisch übrig bleibt und tatsächlich nicht mehr verwertet bar ist, mutet verschwindend gering an.

Vom Abfall zum Strom – der Prozess im einzelnen

Die Restmüllverbrennungsanlage in Köln wurde 1998 in Betrieb genommen und zählt zu den modernsten und besten Anlagen der Welt. Sie verarbeitet, was nach der getrennten Müllsammlung der Privathaushalte in der Restmülltonne gelandet ist, sowie die Reste aus Sortieranlagen für Baumisch- und Gewerbeabfälle.

Ein großer Teil der Abfälle wird mit der Bahn angeliefert. Die Bahncontainer werden in zwei Müllumladestationen auf dem Kölner Stadtgebiet beladen und haben zusammen eine Kapazität von rund 250.000 Tonnen pro Jahr. Der übrige Abfall kommt per LKW.

Gewerbeabfallsortierung in der Müllverbrennungsanlage Köln
Gewerbeabfallsortierung in der Müllverbrennungsanlage Köln © A. Husmann

Eine Besonderheit der Kölner Restmüllverbrennungsanlage ist die integrierte Aufbereitung des Abfalls in einer Aufbereitungshalle. Reste aus Sortieranlagen sowie Reste aus dem Haus- und Sperrmüll werden dazu zunächst im Tagesmüllbunker auf getrennte Kammern verteilt. Der Sperrmüll wird vorab zerkleinert und sortiert. Lediglich die nicht verwertbaren Bestandteile werden in der Restmüllverbrennungsanlage verarbeitet.

Der Hausmüll wird in einer Siebtrommel nach Größe sortiert und passiert anschließend auf großen Förderbändern sogenannte Magnetabscheider. Sie entfernen eisenhaltigen Schrott. Eine zweite Eisenmetallabscheidung sowie eine automatische Nichteisenabscheidung erfolgen nach der Verbrennung.

Auch gewerbliche Abfallreste werden in die Kölner Anlage geliefert. Sie sind bereits vorher in externen Sortieranlagen aufbereitet worden, sodass sie direkt dem Haus- und Sperrmüll zudosiert werden können. Die verschiedenen Abfallströme werden intensiv vermischt, denn diese Homogenisierung sorgt für einen hochwertigen, möglichst gleichmäßigen Ausbrand und eine gute Aschequalität.

Greifarm in der Müllverbrennungsanlage Köln
Greifarm in der Müllverbrennungsanlage Köln © A. Husmann

Aus der riesigen Halle der Fließbänder gelangt der Müll in den sogenannten Restmüllbunker. Hier lagert er eine Weile, bis soviel Feuchtigkeit entwichen ist, dass er sich gut verfeuern lässt. Dazu wird mittels Temperatur- und Feuchtigkeitsanzeigern permanent kontrolliert, in welchem Zustand sich der Müll befindet. Mit großen Greifkränen wird der Müll umgelagert und schließlich in den Brennofen gegeben. Die Müllgreifer befüllen vier riesige Trichter. Der Abfall gelangt von hier aus in vier unabhängig voneinander betriebenen Kessel, die rund um die Uhr arbeiten. Über Walzenroste bewegt sich der Abfall durch die Kessel. Und dort verbrennt er dann, der Müll. Bei einer unvorstellbaren Hitze von 1000 bis 1500 Grad Celsius. Der jeweils “neue” Abfall entzündet sich am bereits brennenden Müll. So wird für den Verbrennungsprozess keine zusätzliche externe Energie benötigt. Die Verbrennung erfolgt nach dem Gleichstromprinzip: Der brennende Abfall und die Abgase bewegen sich in gleicher Richtung durch die “heiße Flamme” am Ende des Rostes. Dieses Verfahren stellt sicher, dass die Zerstörung von Schadstoffen wie Dioxinen und Furanen bereits im Feuerungsraum erfolgt.

Aus Abfall wird Strom für 250.000 Personen

Und jetzt kommt der Clou. Die bei der Verbrennung entstehende Hitze wird genutzt. Zum einen, um die nahegelegenen Fordwerke zu beheizen. Das ist aber nur ein netter Nebeneffekt. Der Großteil der Hitze wird über Generatoren umgewandelt in Strom. Und zwar soviel Strom, dass der Stromverbrauch von 250.000 Menschen gedeckt werden kann. Die MVA Köln ist also im Grunde genommen ein Stromkraftwerk und versorgt ein Viertel der Stadt Köln mit Strom. Das klingt genial. Und da könnte man auf den Gedanken kommen, dass es ja gar nicht so schlimm ist, wenn soviel Müll entsteht – er wird ja gut genutzt …

Nach der Verbrennung bleiben Rostasche, heißes Abgas und Reststoffe übrig. Diese Substanzen werden zu großen Teilen wieder sinnvoll eingesetzt: Die Asche wird mit Wasser gekühlt und in einem Aschebunker zwischengelagert, ehe sie in einer Rostaschebehandlungsanlage aufbereitet und dann im Straßen-, Deponie- und Landschaftsbau verwertet wird.

Abgasreinigung
© Abgasreinigung der Müllverbrennungsanlage Köln

Das heiße Abgas dient der Energieerzeugung. Es erhitzt in der Anlage vorgewärmtes Wasser zu Dampf, der mit einer Temperatur von 400 Grad Celsius und einem Druck von 40 bar auf eine Turbine trifft. Sie treibt den nachgeschalteten Generator an, mit dem Strom produziert wird. Für den Eigenbedarf wird nur ein kleiner Teil der Energie benötigt. Der größere Teil wird in externe Energieversorgungsnetze abgegeben. Die in der Müllverbrennungsanlage erzeugte Energiemenge reicht aus, um mehr als 100.000 Haushalte versorgen zu können.

Bei der Verbrennung und der nachfolgenden Abgasreinigung fallen Reststoffe an wie Staub und Salze sowie Aschen aus den Kesseln. Diese Stoffe werden aufgefangen und dienen als sogenanntes Versatzmaterial der Verfüllung von Salzbergwerksstollen. Auch Gips ist ein Reststoff, der in der Abgasreinigung als Reaktionsprodukt anfällt und Baustoffqualität aufweist.

Abgasreinigung: Durch das bei der Kölner Restmüllverbrennungsanlage eingesetzte Verfahren werden die Abgase nahezu vollständig neutralisiert. Es entsteht kein Abwasser, außerdem werden die gesetzlichen Vorgaben deutlich unterschritten. Als neutrale Prüfinstanz erhält die Bezirksregierung permanent die aktuellen Abgas-Messwerte per Direktleitung.

Umdenken bei Entsorgungsbetrieben

Im Anschluss an die Führung hatte ich noch Gelegenheit, mich mit dem Pressesprecher der AVG zu unterhalten. Im Gespräch wurde deutlich, wie sehr sich die Denkweise im Bereich der Entsorgung in den vergangenen Jahrzehnten und Jahren gewandelt hat. Wurde in den 1960er bis 1990er Jahren Müll vollkommen unsortiert auf Deponien aufgehäuft und am liebsten vergessen, so hat man im neuen Jahrtausend den Wert der Abfälle erkannt. Klimaschutz und CO2-Emissionen sind bei der Restmüllverarbeitung längst als wichtige Themen in den Fokus gerückt. Die bei der Verbrennung gewonnene Wärme wird verstromt. Ressourcen werden zurückgewonnen, soweit das technisch möglich ist. Also v.a. Metall, Kunststoff und Holz. Der zurückgewonnene Kunststoff wird beispielsweise als Brennstoff für Zementwerke genutzt. Es geht hier immer um Restmüll, nicht um die Sammlung per gelber Tonne bzw. gelbem Sack!

MVAs sind heutzutage Stromkraftwerken gleichzusetzen, wenn auch der Brennwert nicht ganz den herkömmlichen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas gleichkommt. Da immer mehr Gemeinden dazu über gegangen sind, mittels Restmüllverbrennung ihren eigenen Strom zu erzeugen, geraten die großen Stromanbieter in deutliche Schwierigkeiten.

Am Ende der Führung war ich wirklich beeindruckt. Das, was bei uns Privathaushalten in die Restmülltonne wandert plus die Gewerbeabfälle, ist immerhin noch dazu nutze, in Köln 100.000 Haushalte mit Strom zu versorgen.

Und zugleich ist es erschreckend, welch unglaubliche Tonnen an Müll wir produzieren. Gelbe und blaue Tonne kommen ja noch obendrauf.

Konsumgesellschaft liefert Müll

Müllverbrennungsanlagen, die für uns Strom erzeugen und uns damit unabhängiger machen von fossilen Brennstoffen, sind nur die logische Konsequenz unserer Konsumgesellschaft. Doch MVAs werden nicht in erster Linie gebaut, um Strom zu erzeugen. Sondern um Herr über die Müllberge zu werden, die wir als Konsumgesellschaft fortwährend produzieren. Zum Glück ist mit modernen MVAs ein Weg gefunden worden, aus dem stinkenden Problem eine saubere Sache zu machen. Doch die Ursache, unser Konsum, ist ja das eigentliche Problem.

Für die Betreiber der MVA ist es essentiell, dass genug Müll angeliefert wird. Müll ist ihr Produkt. Je mehr sie davon bekommen können, desto besser für die Auslastung der Anlage. Denn dann wird kosteneffizient gearbeitet, was wiederum positive Auswirkungen auf die städtischen Müllgebühren hat. Nicht alle MVAs in Deutschland sind so gut ausgelastet wie die in Köln. Da wird Müll aus angrenzenden Gebieten hinzugenommen.

Doch die Konsumgesellschaft liefert diese Massen an Müll. Güter werden in großen Mengen produziert, gekauft, benutzt oder verbraucht und schließlich entsorgt. Die MVA bekommt Futter – im Jahr 2013 waren es in Köln 707.000 Tonnen. Und versorgt uns sogar noch mit Strom (282 Mio. kWh in 2013 in Köln). Eigentlich ein perfekter Kreislauf, so könnte man meinen. Wenn da nicht dieses “aber” wäre. Denn unser konventioneller Konsum geht zu Lasten anderer Länder, zu Lasten der Umwelt, fairer Arbeitsbedingungen; Ressourcen werden verschwendet, die Transporte rund um den Globus belasten das Klima, Produktionsstätten in Fernost vergiften die dortige Umwelt und so weiter.

Nun lebe ich in Köln, einer Großstadt, in der sicherlich nur ein geringer Anteil der Bewohner über Müll, Entsorgung geschweige denn über Müllvermeidung nachdenkt und dies auch praktiziert. Das mag eine negative Sichtweise sein, aber ich halte sie für realistisch. Der durchschnittliche Normalbürger stellt sich nicht unbedingt die Frage, was eigentlich aus dem wird, was er im Laufe eines Jahres so alles wegwirft. Umso interessanter ist es, die unterschiedlichen Wege zu verfolgen. Mein nächster Wunsch ist es, einmal eine Recyclinganlage für Plastik und Kunststoffe zu besichtigen.

Müllverbrennung und Mülltrennung versus Müllvermeidung

Mülltrennung war gestern. Der neueste Denkansatz ist die Müllvermeidung. In seiner ausgeprägtesten Fassung spricht man von Zero Waste. Kein Müll. Bislang gibt es hier nur wenige Vorreiter, deren Berichte und Videos ich interessiert lese und anschaue. Und mich zugleich frage, wie man das in einem ganz normalen Großstadt-Alltag umsetzen soll. Es fängt schon damit an, dass – wenn man schon ein To Go-Behältnis verwendet, das kompostierbar ist, man dann nicht weiß, wo man es auf dem Weg entsorgen soll. Also mitnehmen bis nach Hause und dort in die Biotonne? Macht sich jeder diese Mühe?

Ich finde es großartig, wenn es gelingt, über ein gut organisiertes Entsorgungssystem zum einen Herr der Lage zu werden (unermessliche Müllmengen) und darüber hinaus auch noch diesen Restmüll zu einem großen Teil in Energie, sprich Strom und Heizungswärme umzuwandeln. Es ist zumindest eine riesige Verbesserung gegenüber den stinkenden Deponien von früher, in denen alles auf einen Haufen geworfen und dann mit dem Mantel des Schweigens überdeckt wurde. Der nächste Schritt muss nun sein, die Müllmengen insgesamt zu reduzieren. Und das schafft die Zivilgesellschaft nicht alleine. Hier sind Politik und Wirtschaft gefragt, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und die praktische Umsetzung in die Wege zu leiten.